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Wann gehört ein Mensch zu den Reichen in Deutschland? Die Antwort darauf ist nicht leicht. "Es gibt keine allgemein gültige Definition von Mittelschicht und Oberschicht", sagt Judith Niehues, Leiterin der Clusters Mikrodaten und Verteilung am Institut für Wirtschaft in Köln . Sie beobachtet die Einkommen und Gehälter der Deutschen. Wo genau die Grenzen zwischen unterer Einkommensschicht, Mittelschicht und Reichtum verlaufen, ist mitunter mit etwas Willkür gewählt. Doch das Kölner Institut hat einen Median für das Nettoeinkommen ermittelt, für den es sich Berufe, Qualifikation und die Gehälter unter Berücksichtigung der Daten und Erfahrungen anderer Forschungsinstitute angeschaut hat.
Dieser Medianwert liegt derzeit bei netto 2109 Euro. Das bedeutet: 50 Prozent der Werktätigen in Deutschland verfügen über ein höheres Nettoeinkommen und die anderen 50 Prozent über ein geringeres.
Durchschnittsgehalt bei 4105 Euro brutto
Das Statistische Bundesamt weist hingegen das durchschnittliche Bruttogehalt aus. Es liegt bei 4105 Euro.
"Das Bruttogehalt allein reicht aber nicht aus, um festzustellen, ob man zu den Wohlhabenden in Deutschland zählt", sagt Markus M. Grabka, der beim Berliner Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung das Sozio-oekonomische Panel (SOEP) mit betreut. "Wichtig ist das gesamte Nettohaushaltseinkommen."
Dabei "rechnen sich die meisten Menschen hierzulande zur Mittelschicht", sagt Niehues. Die Forscher unterscheiden hier noch genauer, in eine obere, mittlere und untere Mittelschicht. Wann gehört man wozu? Und verschiebt die Inflation womöglich die Grenzen?
Einkommensgrenzen nach Haushaltstyp * **
Einkommen in Prozent des Median-einkommens | Single | Paar ohne Kinder | Paar mit einem Kind unter 14 Jahren | Paar mit zwei Kindern unter 14 Jahren | Allein- erziehende mit einem Kind unter 14 Jahren | Nachrichtlich: Bevölkerungsanteil (in Prozent) | |
Relativ Reiche/ Wohlhabende | mehr als 250 | mehr als 5.270 | mehr als 7.910 | mehr als 9.490 | mehr als 11.070 | mehr als 6.860 | 3,3 |
Einkommens-starke/ obere Mitte | 150 bis 250 | 3.160 bis unter 5.270 | 4.750 bis unter 7. 910 | 5.700 bis unter 9. 490 | 6.640 bis unter 11.070 | 4.110 bis unter 6. 860 | 15,2 |
Mitte im engeren Sinn | 80 bis 150 | 1.690 bis unter 3.160 | 2.530 bis unter 4.750 | 3.040 bis unter 5.700 | 3.540 bis unter 6.640 | 2.190 bis unter 4.110 | 48,9 |
Einkommens-schwache/ untere Mitte | 60 bis 80 | 1.270 bis unter 1.690 | 1. 900 bis unter 2.530 | 2. 280 bis unter 3.040 | 2. 660 bis unter 3.540 | 1. 650 bis unter 2.190 | 15,9 |
Relativ Arme (Armutsgefähr-dungsquote) | weniger als 60 | 0 bis unter 1.270 | 0 bis unter 1.900 | 0 bis unter 2.280 | 0 bis unter 2.660 | 0 bis unter 1.650 | 16,8 |
* In Haushaltsnettoeinkommen des Jahres 2019, in Euro. Dabei sind die Werte gerundet auf 10 Euro. Für Alleinstehende betrug das monatliche Medianeinkommen im Jahr 2019: 2.109 Euro.
** Die Einkommensgrenzen basieren auf dem (Haushalts-)Nettoeinkommen nach Abzug der Einkommensteuer und Sozialbeiträgen sowie zuzüglich Renten- und Transferzahlungen (beispielsweise Kindergeld). Zudem wird bei selbstgenutztem Wohneigentum der Nettomietvorteil als zusätzlicher Einkommensbestandteil berücksichtigt. Die Einkommen eines Jahres werden in Monatswerte umgerechnet.
Quelle: SOEP v37; Institut der deutschen Wirtschaft
Ein Ein-Personenhaushalt mit einem Nettoeinkommen zwischen 1690 und 3160 Euro zählt dem Kölner Institut zufolge zur Mittelschicht im engeren Sinne, berichtet Niehues. Die Mittelschicht ist mit 48,9 Prozent der Bevölkerung die größte Schicht in Deutschland. Ab einem Nettoeinkommen von 3160 Euro dürfen sich Singles dann zu den reichsten 18,5 Prozent zählen. Mit 3.700 Euro netto gehören sie zu den einkommensreichsten zehn Prozent – und ab 5.270 Euro netto sogar zu den reichsten drei Prozent. Berücksichtigt wird dabei auch, ob die Personen in einer Miet- oder Eigentumswohnung wohnen.
Inflation belastet vor allem die unteren Einkommen
Den aktuellen Einfluss der Inflation, Energiepreise, Zinssteigerungen, aber auch von staatlichen Entlastungspaketen könne man aus der jetzigen Datenlage nicht ersehen, sagt die Expertin. Tatsächlich beziehen sich die Einkommen der Langzeit-Haushaltsbefragung des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) auf das Jahr 2019. "Die Auswirkungen auf das rein einkommensbezogene Schichtgefüge werden möglicherweise gar nicht so groß sein", sagt die Expertin. "Aber die Belastungen werden in den unteren Einkommensschichten stärker zu spüren sein." Die unteren Einkommen geben fast ihr gesamtes Geld für Heizung, Energie und Lebensmittel aus – und leiden daher am stärksten unter den steigenden Preisen. Unter Druck fühlt sich jedoch die gesamte Mittelschicht.
"Die beiden Gruppen, die in der oberen Mittelschicht überproportional zu finden sind, sind Doppelverdiener-Paare ohne Kinder und Paare, die noch nicht verrentet sind und deren Kinder nicht mehr im gleichen Haushalt leben", sagt Niehues. Beide Gruppen sind in den oberen zehn Prozent überrepräsentiert, heißt es. Dabei machen sie gerade mal rund 4,6 Prozent der Haushalte aus.
Hochvermögend ab zehn Millionen Euro Nettovermögen
Die reichsten Vermögenden machen sogar nur 0,1 Prozent der Bevölkerung aus, berichtet Niehues. "Jedoch ist die Wahrnehmung anders." Befragungen ergäben, dass die Menschen glaubten, der Anteil der Superreichen läge bei rund 25 Prozent.
Zur Vermögenselite, wie sie Markus Grabka vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin nennt, gehört man seiner Beobachtung nach ab etwa zehn Millionen Euro Nettovermögen. Oftmals stellt sich dies als Betriebsvermögen dar und andere Menschen sind davon abhängig. Von Vermögenden spricht er bereits ab einer Million Euro, wenn man von den Erträgen daraus im Prinzip leben kann. "Allein das Gehalt zu betrachten, reicht nicht."
Schaut man sich die Verteilung der Vermögen an, lässt sich feststellen, dass die reichsten Deutschen mit 0,1 Prozent Anteil an der Bevölkerung einen Anteil am Gesamtvermögen der Bevölkerung in Deutschland von 20,4 Prozent haben. Andere Erhebungen gehen von 7 oder 12,4 Prozent Anteil aus, je nach Datenlage. So weist das WSI darauf hin, dass die Erhebung schwierig ist. Auch Niehues berichtet, dass in Umfragen über Vermögen die Angaben sehr unterschiedlich ausfallen, da jeder anders auf Abfragen reagiere und antworte.
Vermögen steckt in Betrieben oder in Immobilien
Bei der Zusammensetzung des Bruttovermögens haben die Forscher ermittelt, dass ein Großteil des Vermögens der reichsten 1,5 Prozent mit 40,2 Prozent im Betriebsvermögen liegt. Dahinter folgen mit 25,3 Prozent Immobilien außer selbst genutztes Wohneigentum. Letzteres macht 18,4 Prozent am Vermögen der reichsten 1,5 Prozent aus, die über ein durchschnittliches Vermögen von 3.126.727 Euro verfügen (Daten aus 2017).
Über die gesamte Bevölkerung gemessen, ergibt sich ein durchschnittliches Bruttovermögen in Deutschland von etwa 130.000 Euro. Die Hälfte davon entfällt auf selbst genutztes Wohneigentum. Weitere wichtige Vermögensarten sind andere Immobilien und Geldanlagen, heißt es im Bericht des Sozio-oekonomischen Panels, das wiederholt repräsentativ Privathaushalte in Deutschland befragt. Versicherungen und Fahrzeuge spielen hingegen nur eine eher untergeordnete Rolle. Sachanlagen und Bausparverträge sind nur von nachrangiger Bedeutung.
Gehört man zur Gruppe mit einem durchschnittlichen Vermögen von 96.395 Euro, liegt der größte Anteil des Vermögens im selbst genutzten Wohneigentum mit fast 60 Prozent, sonstige Immobilien machen hier nur rund sechs Prozent aus, Fahrzeuge, 6,8 Prozent und Betriebsvermögen 1,5 Prozent. In der Gruppe der Menschen mit einem durchschnittlichen Vermögen von 11,138 Euro liegt der größte Anteil des Vermögens in Fahrzeugen mit 29,1 Prozent, während das selbst genutzte Wohneigentum nur 24,5 Prozent ausmachen.
Grabka macht jedoch in einem Bericht des DIW darauf aufmerksam, dass das Median-Nettovermögen deutlich unter dem durchschnittlichen Vermögen liegt. Letzteres betrug 2017 im Durchschnitt 111.000 Euro. Der Median – also der Wert, der die reichsten 50 Prozent von den weniger reichen 50 Prozent trennt – lag stattdessen bei nur 26.000 Euro. Laut den Erhebungen besitzen also rund 15 Prozent der Bevölkerung überhaupt kein Vermögen. Zum reichsten Zehntel zählt man hingegen schon mit einem Vermögen ab 275.000 Euro.
Author: Steve Miller
Last Updated: 1703512682
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